RTLII trennt sich vom Anime Programm – na und?

Naruto weinend

Alles gar nicht so schlimm

Kurz nachdem der Fernsehsender RTLII kürzlich eine Umstellung im sonntäglichen Anime-Block angekündigt und sich im Zuge dessen auch von der langjährig durchs Programm getragenen Serie Pokémon verabschiedet hatte, geisterte auch schon das nächste Gerücht durch das Netz. Da der Werbezeitvermarkter des Senders, EL Cartel Media, den Anime-Block ab dem April-Programm nicht mehr im Katalog führte, lag die Vermutung nahe, dass dieser künftig gänzlich gestrichen würde. Die Macher der Facebook-Seite “Rettet Animes im deutschen TV” fragten daraufhin beim Sender nach und erhielten kürzlich eine Bestätigung dieser Gerüchte. Konkret bedeutet das, dass sich RTLII nach dem 21. April 2013 vom Anime-Block trennen wird. Doch gänzlich will man sich dann doch nicht von der Sparte lossagen: Wie die Webseite DWDL mitteilt, wird man künftig sein Online Angebot aufstocken und einen eigenen Online-Kanal für Anime starten.

Den ganzen darauf folgenden Boykott- und Drohbrief-Aufrufen sowie den restlichen Trauerbekundungen über das “Ende einer Ära” im Netz zum Trotz: Mit diesem Schritt bestätigt man meines Erachtens einen Trend, den ich schon seit einiger Zeit sehe. Anime in Deutschland ist nicht tot, wie manche der “alten Hasen” (zu denen ich mich auch zähle) immer wieder beschwören. Zumindest nicht wegen fehlender Ausstrahlung im klassischen Fernsehen. Ganz im Gegenteil verlagert sich die öffentliche Verbreitung lediglich langsam aber sicher auf ein zeitgemäßeres Medium und wird somit der nach wie vor sehr jungen und entsprechend modern orientierten Zielgruppe gerecht. Web-TV wird wohl die Zukunft des Anime sein und dafür gibt es bereits einige Indizien. Bei Portalen wie MyVideo finden sich etliche Anime-Serien kostenlos und legal als Stream. Hier bekommt man unter dem Label “Anime TV” unter anderem 105 Episoden von Naruto, alle 51 Episoden von Soul Eater oder alle 51 Titel der ersten Staffel von D.Gray-Man geboten. Das Programm wird regelmäßig aktualisiert, wie auch die gestrige Ankündigung von Sengoku Basara: Samurai Kings für den Sommer 2013 zeigt. Zusätzlich präsentiert man inzwischen alle zwei Wochen das (semi-)professionelle Newsmagazin J-Mag als Live-Stream. Das alles gegen den vertretbaren Obolus, sich ab und an ein paar Werbeclips anzuschauen. Nintendo bietet seine Kult-Serie in eine kostenlosen Pokémon-App an. Anime on Demand liefert gegen Bezahlung ganze Abos und Peppermint Anime plant aktuellen Interviews zufolge ebenfalls einen Streaming-Dienst. Zudem bietet der amerikanische Anbieter Crunchyroll regelmäßig kostenlos aktuelle Serien auch für europäische Zuschauer und auch die Japaner werden langsam aufmerksam auf Angebote für den westlichen Markt. So wurden beispielsweise Black Rock Shooter oder Fate/stay night parallel zur japanischen Netz-Veröffentlichung mit englischen Untertiteln gestreamt.

Nicht mit den Anime geht es bergab, sondern mit dem klassischen Fernsehen an sich – weil es (endlich!) Konkurrenz aus dem Netz bekommt. Wer sich weiterhin von vordefiniertem Programm berieseln lassen möchte, kann das freilich weiterhin tun. Auf anderen Sendern laufen durchaus noch einige Serien. So finden sich bei Anixe sowie dem neuen Free-TV-Sender FTL reichlich Klassiker. Nick übernimmt modernere Serien für junges Publikum wie Beyblade und Yu-Gi-Oh. Und VIVA wird wohl auch in Zukunft auf das klassische Trio bestehend aus Naruto, One Piece und Detektiv Conan setzen. Verhandlungen für neue Folgen laufen hier nach wie vor. Nur wer sich auf diese Art unterhalten lassen möchte, darf sich dann auch nicht wundern, wenn einem nicht immer gefällt, was man sieht. Denn das Fernsehen ist per Definition herzlich wenig individuell oder gar interaktiv. Die Sender legen sich mit ihren durch die Zeit begrenzten Sendeplätzen der Quote zuliebe auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner der aktuellen Trends fest und die lauten derzeit eben nicht: “Anime satt!”. Wer sich allerdings nicht den Tagesablauf durch das Fernsehprogramm diktieren lassen will, schaut sich langsam aber sicher nach flexibleren Medien um, die solche Grenzen nicht kennen. Das ist nicht erst seit heute so und schlicht eine natürliche Entwicklung in unserer zunehmend netzbasierten Welt. Die alteingesessene Fan-Gemeinde muss sich nur langsam in Bewegung setzen und sich an eine bedeutende Neuerung gewöhnen: Dass das Medium den Fans nicht mehr diktiert, was sie sich wann anschauen, sondern dass sie statt dessen ihr Programm individuell zusammen stellen können. Das erfordert natürlich einen etwas bewussteren Einsatz, als man es bisher gewohnt war. Aber ist das letztendlich wirklich eine so negative Entwicklung? Ich für meinen Teil halte die Szene jedenfalls bei weitem für zu jung, als dass sie jetzt schon anfangen sollte, den guten, alten Zeiten hinterher zu trauern.

Weiterführender Surf-Tipp: Warum das Fernsehen keine Zukunft hat

2 Kommentare

  1. Pingback: AnimeDX.de Blog » » Lesetipp: In Japan wurde endlich die Online-Anime Revolution entfacht

  2. Pingback: AnimeDX.de Blog » » VoD und Simulcasts bei Peppermint Anime

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