Review: Dreamland, Band 1

Ich habe schon lange kein neues Review mehr geschrieben, also wird es dringend wieder Zeit. Heute betrachten wir mal ein Werk außerhalb Japans und schauen, was unsere Nachbarn im “Land des Comics”, Frankreich, so treiben.

Als Reno Lemaires Manfra Dreamland im Tokyopop Verlag angekündigt wurde, rieben sich etliche bereits am Stil des Coverbilds mächtig auf, während an anderer Stelle regelrechte Freudensprünge vollzogen wurden. Immerhin hat es Dreamland in seinem Heimatland aktuell bereits auf zwölf Bände gebracht. Eine beachtliche Anzahl also, von der deutsche Mangaka bisher nur träumen können. Das durchwachsene Meinungsbild war für mich jedenfalls Grund genug, mir den ersten Band einmal näher anzuschauen.

Steckbrief

Dreamland Cover Band 1Titel: Dreamland
Originaltitel: Dreamland
Autor: Reno Lemaire
Erscheinungsjahr (Frankreich): 2006
Bände (Frankreich): 12 (laufend)
Genre: Shonen, Abenteuer, Fantasy, Slice of Life
Herausgeber: Tokyopop
ISBN: 978-3-8420-0501-3
Preis / Band: 6,50 €

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Geschichte

Nachdem seine Mutter bei einem Brand ums Leben gekommen ist, hat Terrence eine wahnsinnige Phobie gegen Feuer entwickelt. Allnächtlich plagen ihn furchtbare Alpträume von dem Ereignis. Als seine Angst jedoch eines Nachts übermächtig zu werden droht, gelingt es ihm, das Feuer unter seine Kontrolle zu bringen und zu einer speziellen Fähigkeit umzuwandeln. Und nicht nur das: Mit einem Mal ist er fähig, sich bewusst in der Dreamland genannten Traumwelt zu bewegen. So wie etliche andere vor ihm, die ihre Ängste zu bändigen im Stande waren, ist Terrence zu einem sogenannten Reisenden geworden. Allein schon durch die Tatsache, dass Terrence nun auch Einblick in die Träume seiner Mitmenschen erhält, scheint die Sache zunächst ein interessanter Spaß zu werden. Die Realität holt ihn jedoch alsbald ein, als er auf andere Reisende, Freunde wie Feinde, sowie die unheimlichen Vertreter des Alptraumreichs trifft. Außerdem ist der mächtige Herr des Feuers alles andere als begeistert von der Tatsache, dass sich ein Feuerkontrolleur außerhalb seines Einflusses in Dreamland herumtreibt.

Aber auch in der realen Welt plagen Terrence etliche Probleme. So ist er unglücklich in Lydia, ein Mädchen aus seiner Klasse, verliebt. Als dieser jedoch eines Tages versehentlich sein allein ihr gewidmetes Tagebuch in Hände fällt, scheint das das Aus seiner Schwärmerei zu sein.

Informationen

Bei Dreamland handelt es sich um die dritte Manfra-Veröffentlichung des französischen Verlags Pika Édition. In Deutschland erscheint der erste Band in der zweiten überarbeiteten Version, in der vor allem mit einer professionelleren Rasterung mehr optische Tiefe erzeugt wurde. Aber auch einige Panels oder ganze Seiten wurden teilweise neu gezeichnet. Die folgenden Bände 2 bis 5 werden ebenfalls als überarbeitete Version erscheinen.

Bewertung

Reno Lemaires Dreamland bringt in Sachen Erzählung alles mit, was eine klassische Abenteuer-Shonen-Serie ausmacht: Der etwas trottelige, aber gutherzige Held, der  in ein großes Abenteuer zieht. Viele unterschiedliche Charaktere, die sehr einzigartige Fähigkeiten mitbringen sowie jede Menge Action-Szenen. Etwas aus der Reihe fällt Dreamland durch den regelmäßigen Blick in das normale Leben der Reisenden, was ihnen neben ihren individuellen, eher anarchisch geprägten Traum-Alteregos noch einige zusätzliche charakterliche Facetten beschert. Bereits in diesem ersten Band wird klar, dass die Geschichte rund um Terrence und seine Ausflüge in die Traumwelt groß angelegt ist: Die Charaktere haben gleich in zwei Welten Probleme zu lösen, die unterschiedlichster nicht sein können. In der realen Welt sehen sie sich mit den ganz alltäglichen Problemen junger Erwachsener konfrontiert, während sie in der umfangreichen Welt Dreamland zwischen die Fronten politischer Machtspielchen verschiedenster herrschender Gruppen gezogen werden. Bisweilen kommt es zudem vor, dass beide Welten aufeinander Einfluss nehmen.

Der Humor ist eher westlich deftig und lässt die Charaktere durch ihre rotzig-pubertäre Art häufig deutlich jünger wirken, als sie eigentlich sein sollten. Dennoch weiß er durchaus zu unterhalten. Auch weil nicht krampfhaft versucht wird, permanent die üblichen Japano-Slapstick-Einlagen einzubringen. Aber keine Angst: Ganz ohne geht es dann doch nicht.

DreamlandZeichnerisch präsentiert man sich in diesem Band durchwachsen, aber mit Potential nach oben. Die Panel-Aufteilung ist shonen-typisch strikt getrennt. Um die Szenen in den unterschiedlichen Welten leichter unterscheidbar zu machen, sind die Zwischenräume entweder schwarz ausgefüllt oder weiß. Die Inspiration im Charakterdesign durch Genre-Größen wie One Piece ist schnell erahnt. Seine besondere Stärke zeigt der Autor bei der abwechslungsreichen Mimik der Protagonisten, schwächelt aber trotz guter Ideen am Design. Stellenweise sind die Charaktere kaum zu unterscheiden, was wohl vor allem der sehr skizzenhaften Linienführung geschuldet ist. Diese sticht insbesondere beim Haar immer wieder ins Auge, zeigt sich aber auch häufig in unsauber ausgearbeiteten Schraffuren. Mit dem Zeichnen von Frauen scheint man sich insgesamt etwas schwer zu tun. Anders als bei den Jungen fehlt hier eine klare Richtung im Stil und gerade die Gesichter muten gerne mal etwas seltsam an. Das alles sind jedoch Schwächen, die sich meines Erachtens mit steigender Erfahrung sehr schnell verwachsen werden. Japan-Puristen werden sich allerdings am kaum zu übersehenden frankobelgische Einfluss im Zeichenstil stören. Dieser bahnt sich insbesondere bei den häufigen SD-Zeichnungen seinen Weg auf die einzelnen Seiten.

Der erste Band bietet neben drei Farbillustrationen und drei farbige Manga-Seiten auf mattem Papier außerdem noch vier Schwarz-Weiß-Illustrationen, ein recht interessantes, ausführliches Interview mit dem Autor sowie einige Kommentare.

Fazit

Optisch ist Dreamland eine Mischung aus frankobelgischem Comic und japanischen Manga mit einigen Ecken und Kanten. Doch wer sich vom Zeichenstil nicht sofort abschrecken lässt, erhält hier voraussichtlich umfangreiche, ebenso lustige wie spannende Shonen-Kost aus europäischen Landen.

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