Begegnung der dritten Art und sexuelle Belästigung

Sexuelle Belästigung ist immer wieder ein Thema in der Cosplay-Szene. Nicht zuletzt, weil das Hobby stets einen gewissen Spagat zwischen den oftmals sehr vereinfachten Rollenklischees in Manga und Anime sowie der realen Welt und der eigenen Lust am Basteln und Verkleiden darstellt.

Mal dreht sich das Problem um harmlosere Dinge, wenn beispielsweise FotografInnen andere Posen sehen wollen als es die guten Sitten erlauben, aber dennoch den Willen des/der CosplayerIn respektieren. Schöner wäre es natürlich, sich schon im Vorfeld in sein Gegenüber hinein zu versetzen. Denn so etwas zeugt auch schlicht von einer gewissen Professionalität und bringt das Gegenüber nicht erst in eine unangenehme Situation. Aber immerhin können CosplayerInnen hier noch weitestgehend ohne Probleme ihr Persönlichkeitsrecht durchsetzen.

Dann gibt es aber auch noch wirklich ekelhafte Exemplare, die der Meinung sind, CosplayerInnen ginge es einzig um Aufmerksamkeit jeglicher Art und hätten daher zur persönlichen Belustigung jederzeit zur Verfügung zu stehen, notfalls mit Zwang oder Täuschung. Der folgende Text über ein Ereignis auf der Leipziger Buchmesse 2014 wurde in einem Weblog einer großen Anime-Community erstmals veröffentlicht und wird mit freundlicher Genehmigung der Autorin hier noch einmal anonymisiert aufgefasst. Im Anschluss folgen auch noch ein paar Tipps, wie man sich in solchen Situationen verhalten kann:

Die LBM liegt nun hinter mir und da mir und einigen Freunden etwas passiert ist über das ich nun gerne sprechen möchte, da mich das Thema sehr beschäftigt, habe ich diesen Webblog verfasst.

Ich stand mit X und Y an der großen Bühne da wir nach dem Wettbewerb am Sonntag ein wenig Zeit hatten.
Mir wurde grad ein Zopf in meine Wig geflochten.

Da sprachen uns zwei Männer so Mitte ende zwanzig an und filmten uns ungefragt mit einem Smartphone. Einer von ihnen hatte einen „Presseausweis“ (eine gewöhnliche Eintrittskarte der LBM wo etwas dicker PRESSE draufstand) um den Hals.
Der Mann mit dem “Ausweis”, fragte uns was denn so eine Frisur kosten würde.
Wir fragten ob er die Perücken meint. Da sagte er: „Naja, für das Flechten.“
Wir sahen uns verwirrt an.

Dann fragte er uns was wir denn bei ihm machen könnten. Eine Freundin sagte nur das er vielleicht ein wenig Haar-Gel vertragen könnte. Darauf fragte er: “Flechtet Ihr nur obenrum oder auch unten?”
Sein Begleiter filmte uns immer noch bei dem Gespräch.
Wir blockten ab und baten das doch bitte sein zu lassen.
Beide betonten nochmal ausdrücklich, sie seinen von der Presse und dürften das.

Der Mann mit dem “Presseausweis” kam dann sehr nah an mich ran, sein Begleiter folgte ihm. Als er direkt vor mir stand nahm er meinen Rock (bodenlang) in die Hand, senkte die Handykamera und wollte ihn anheben mit den Worten: „Ich schau dir mal kurz unter den Rock.“
Ich hielt meinen Rock natürlich sofort runter und die andere Freundin griff mit der Hand vor die Kamera. Beide waren nun sehr nahe an mein Gesicht dran gekommen.

Erneut forderten wir beide Männer auf damit auszuhören und es sein zu lassen, was leider nichts brachte. Im Gegenteil, daraufhin folgten einige anzügliche Bemerkungen die auf alle “Kostümierten” bezogen waren, welche ich hier jedoch aus Jugendschutzgründen aussparen möchte.

Wir wollten, dass die Beiden das Video von uns sofort löschen, da sagte der mit der Kamera das er das in der nächsten Halle tun würde.
Wir hielten ihn fest und sagten, dass er das jetzt machen solle vor unseren Augen und wir wollten das Video so lange sehen bis wir drin vorkamen.
Eine meiner Freundinnen machte sich auf den Weg um einem Mann von der Security Bescheid zu sagen, leider lief einer der beiden Männer in der Zeit weg.
Seinen Begleiter mit der Kamera konnten wir jedoch aufhalten, er löschte das Video vor unseren Augen und wurde dann von einem der Security-Männer verwarnt und heraus begleitet.

Ich möchte mich mit diesem Webblog an alle Cosplayer richten, denn dieses
Thema geht uns alle etwas an. Ich bin 21 Jahre alt und meine Freundinnen sind auch nicht mehr Minderjährig, aber es gibt eine Menge Cosplayer die wesentlich jünger sind als wir und erst recht nicht wissen, wie sie mit diesem Thema umgehen sollen.
Wenn einem so etwas passiert ist es wichtig, einige Dinge zu beachten, denn wenn ein Video gedreht wird und dieses dann in irgendeiner Art und weise im Internet landet, dann ist es da und man wird es schwer bis nie wieder los.

Wenn euch so etwas wie uns passiert, solltet ihr:

  • Nicht auf die obszönen und zweideutigen Fragen antworten.
  • Wenn sie zu Filmen beginnen auf jeden Fall sagen das ihr das nicht möchtet, denn das ungefragte Filmen ist eine Straftat.
  • Macht andere auf euch aufmerksam, je mehr ihr seid desto besser.
  • Sagt einem von der Security Bescheid, denn die können solche Männer auch von einer Messe oder Con verweisen.
  • Wenn ein Video gedreht wurde, versucht das es vor euren Augen gelöscht wird, denn wenn sie sagen sie machen es zum Beispiel in der nächsten Halle, machen sie es garantiert nicht.

Wir haben die Männer( nun mit Bierflaschen in der Hand) auf dem Weg zum Parkplatz noch einmal gesehen. Dort haben sie leider zwei andere junge Mädels angesprochen. Wir haben dann direkt noch mal dem Sicherheitspersonal bescheid gesagt.

Ich möchte noch einmal sagen, dass so etwas jedem passieren kann, wir hatten keine kurzen Röcke an und auch keinen riesen Ausschnitt.

Ich möchte euch bitten wenn ihr seht, dass ein anderer Cosplayer bedrängt wird, einzugreifen und wenn ihr euch das nicht traut, dann sagt jemandem Bescheid der euch helfen kann.

Ich möchte euch bitten diesen Blog zu teilen, da ich dieses Thema für überaus wichtig halte.

Danke
S

Der Aufforderung von S möchte ich mich gerne anschließen.

Egal was man trägt und egal welchen Charakter man mit seinem Cosplay verkörpert, hat man jedes Recht, sich gegen solche Annäherungen zu wehren. Ungefragte oder gegen die guten Sitten verstoßende Video- und Fotoaufnahmen sollten stets mit einem klaren “Nein, ich möchte nicht gefilmt werden” untersagt werden (so nehmen die Filmenden den Beweis der Unfreiwilligkeit gleich selbst mit auf). Auf das sofortige Löschen der Aufnahmen sollte man bestehen. Auch wenn Menschen wirklich von der Presse sein sollten (in dem Fall gehen wir von einem gefälschten Ausweis aus – welcher Journalist filmt schon mit einem Smartphone?), haben sie diesbezüglich keinerlei Sonderrechte. Presseausweise enthalten in der Regel auch Informationen zum Journalisten und zum zugehörigen Medium. Beides sollte man sich, falls vorhanden, für eventuelle Anzeigen gut einprägen.

Gerade Frauen tendieren oft dazu, die Sache friedlich klären zu wollen, was gerne als “sich zieren” uminterpretiert wird. Daher sollte man diesen Reflex vermeiden und klar sagen, was man möchte und was nicht. Es ist immer besser, sich hinterher bei jemandem für ein Missverständnis zu entschuldigen, als BelästigerInnen zu viel Raum zu geben. Es kann auch sehr helfen, sich für den Notfall einige Sätze schon im Voraus parat zu legen, so vermeidet man die häufige Sprachlosigkeit.

Auch wenn sie keine Höflichkeiten verdient haben, sollten solche Menschen nicht geduzt werden. Statt dessen sollte man sich mit dem “Sie” klar von ihnen distanzieren. So teilt man Umstehenden deutlich mit, dass man sich nicht kennt und niemand kann sich herausreden, er hätte nur an ein Geplänkel unter Freunden geglaubt.

Wurden keine Fotos oder Aufnahmen gemacht sondern besteht lediglich plumpe Belästigung, kann man sich der Situation entziehen, indem man sich einfach in die nächste Menschengruppe begibt. Das können auch ruhig Fremde sein. So wird signalisiert, dass man aktiv Hilfe sucht. Aber auch bei Videoaufnahmen und Fotos kann eine solche Gruppe im Zweifel den Forderungen Nachdruck verleihen. Menschen schauen schnell weg, wenn sie nicht direkt betroffen sind. Werden sie auf diese Art aktiv involviert, greifen die meisten aber sofort ein!

Sind keine Menschen in direkter Reichweite, kann Rufen helfen. Man sollte die Stimme heben, die belästigende Person weiterhin siezen und sich distanzieren, damit Umstehenden eindeutig klar wird, dass man mit dieser Person nichts zu tun hat. Wenn alles nichts hilft, sollte man laut werden, richtig laut, tief aus dem Bauch heraus und dem Gegenüber direkt ins Gesicht brüllen. Der Inhalt zählt nicht, bloß dass ihr laut seid. Denn nichts ist gruseliger als ein sicher geglaubtes Opfer, das plötzlich von einem Moment zum Anderen zu Hulk mutiert. Die zusätzliche Aufmerksamkeit Umstehender sollte einem spätestens dann ebenfalls sicher sein.

Beobachtet man selbst eine solche Situation, sollte man Betroffene zunächst aktiv aus dem Geschehen holen. Dazu bringt man sie in die Sicherheit der eigenen Gruppe und schirmt sie so von der Belästigung ab. Der nächste Schritt ist dann einerseits die zuständigen Sicherheitsbeauftragten zu verständigen und andererseits  die BelästigerInnen bis zu deren Eintreffen vor Ort zu halten. Theoretisch besitzt man als Bürger auch das Recht, jemanden bei Rechtsbruch bis zum Eintreffen von Profis festzuhalten. Davon wird aber wegen des Eskalations- und Gefahrenpotentials dringend abgeraten. Besser ist es in diesem Fall, die Leute abzulenken, ggf. also weiter über die Löschung von Bild- und Videomaterial zu diskutieren bzw. diese durchzusetzen.

Auf keinen Fall sollte man jedoch Equipment an sich nehmen oder gar beschädigen. Das kann Anzeigen wegen Sachbeschädigung nach sich ziehen, da solches Handeln nicht als Notwehr angesehen wird.

Wenn alle Fans der Szene in solchen Situationen fest an einem Strang ziehen, hält man die Wahrscheinlichkeit für solche Übergriffe so gering wie möglich. Es wäre Schade, wenn Menschen ihr kreatives Hobby wegen einem Haufen Idioten, die persönliche Grenzen nicht akzeptieren können, vermiest oder gar aus Angst ausgetrieben würde. Ich denke, das sollte machbar sein. Oder was denkt ihr?

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *